Das Beispiel Radsport 
 
    
 
 
  Ein scharfer Kontrast eröffent das Thema: das Hochrad - ja, damit wurden damals wirklich Rennen gefahren! - und das Sprintrad des Radweltmeisters Michael Hübner. Das eine reicht in die Zeiten zurück, in der Fahrradbau in Chemnitz erst in den Anfängen steckte - das Bahnsportrad wiederum markiert das Ende der Entwicklung.  
 
 
Hochrad Rennrad von Michael Hübner
 

Die Anfänge  

Der erste Radsportverein ("Chemnitzer Bicyle-Club") entstand 1883. In den folgenden Jahren wurden der "Chemnitzer Radfahrverein" (1885), "Stahlrad" (1888) und "Stahlroß" (1891) gegründet. In dieser "Pionierzeit" entstanden in den folgenden Jahren eine Vielzahl weiterer Vereine in der Stadt, in den Stadtteilen und in den Vororten; der Radfahrverein entwickelte sich zum Hauptverein der Stadt. Über Mitgliederzahlen liegen keine umfassenden Angaben vor. Man kann jedoch davon ausgehen, daß es bereits um die Jahrhundertwende mehrere hundert organisierte Radfahrer in Chemnitz gab.  

Die rasche soziale Wandlung des Sports von einer anfangs exklusiven Beschäftigung zur massenhaften Ausübung läßt sich auch am Beispiel des Chemnitzer Radsports nachvollziehen: Die Gründer der ersten Vereine waren technik- und fortschrittsbegeisterte Angehörige der Mittel- und Oberschicht, die das Radfahren als exklusiven Sport betrachteten. Erst nach 1900 entwickelte sich Radfahren zum Massensport.  

Radrennbahn Altendorf, 1920  

Radrennen zählten hier zu den äußerst beliebten Sportveranstaltungen. Das erste Straßenrennen in Chemnitz fand am 23. August 1885 auf der Zschopauer Straße bis zum "Goldenen Hahn" statt. Von 1887 bis 1891 organisierte ein Rennverein Veranstaltungen auf einer Bahn in Furth; ab 1894 bestand eine Bahn am Tiergarten Scheibe (Blankenauer Straße). Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, das erste moderne Sportstadion von Chemnitz, der 1909 eingeweichte Sportplatz Altendorf, den Radsport in den Mittelpunkt rückte. Die Altendorfer Zementbahn zählt zu den schnellsten in Deutschland. Auch nach dem 2. Weltkrieg waren die Radsportler die ersten, die auf der Straße und den Aschenbahnen für Sportereignisse sorgten, und sie waren die einzigen, für die in den ersten Nachkriegsjahren eine neue Sportanlage errichtet worden ist. Die Radsportfreunde heute erinnern sich mit Wehmut und mit ein wenig Neid an die Zehntausende von Besuchern bei den damaligen Rennen.  

Radrennbahn im Sportforum 

Zu den  Hauptsparten des Profirennsports gibt es in Chemnitz spektakuläre Einzelobjekten, zum Bahn- und Steherradsport ebenso wie zum Straßenradsport und zu den Disziplinen des Saalradsports

Die Chemnitzer Fahrradproduzenten  

Auch die für "Maschinensportarten" typischen Verbindungen von Sport und Produktion lassen sich gut in der Entwicklung von Chemnitz verfolgen. Anfang 1885 werden der aus Bayern zugereiste Johann Baptist Winklhofer und der Chemnitzer Richard Adolf Jänicke Mitglieder des Bicycle-Clubs; sie beteiligen sich aktiv an den Veranstaltungen und starten auch zu Radrennen. Gleichzeitig betrieben beide ein Verkaufs- und Reparaturgeschäft für englische (Hoch-) Räder. Ihre sportliche Betätigung betrachteten sie als Werbung für das Fahrrad und für ihr Geschäft. Schnell gingen sie zur Eigenproduktion von Fahrrädern über, woraus sich innerhalb weniger Jahre einer der gröpßten Fahrradhersteller Deutschlands, die "Wanderer-Werke" entwickelten.  

Auch andere Fahrradproduzenten wie Presto engagierten sich erfolgreich im Radsport.  

1896 nahmen die "Diamant-Werke" in Siegmar die Produktion von Fahrrädern auf. 1910 gründete sie zu Werbezwecken einen Profirennstall, für den hervorragende Berufsfahrer aus ganz Deutschland, später sogar aus Italien eingekauft wurden. 1926/27 gründete Diamant in vielen deutschen Städten Amateurrennclubs; der Hauptverein "RC Diamant" befand sich in Chemnitz. Initiator dieser neuartigen Konzeption war der Prokurist der Firma Max Lange; herausragende Leistungen im Amateurlager sollten den Verkauf von Straßenrennrädern (vor allem an junge Arbeiter) ankurbeln. Der RC Diamant zog eine ganze Reihe talentierter Fahrer aus anderen Vereinen in ganz Deutschland nach Chemnitz. Diese Fahrer erhielten meist eine Anstellung bei der Firma. Diese "Amateure" hatten meist zwei Tage "trainingsfrei". Das Training erfolgt unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse. U. a. wirkte Max Klemm ab 1927 als "Gymnastiktrainer". Daneben fuhren jedoch weiterhin Profifahrer für die drei großen Chemnitzer Radhersteller; manche erfolgreiche "Amateure" wechselten ins Profilager über. Chemnitz war in den 20er/30er Jahren die Hochburg des deutschen Amateur-, teilweise auch Profiradsports.  
 

Nach dem II.Weltkrieg  

Nach 1945 fuhren viele bekannte ehemalige Radsportler als Bahnradprofis, einige auch bei den Schrittmachern. In den neuen Sportstrukturen ("SC") gaben (u. a. Werner Richter, Willi Gruß, Paul Temmler) einige ihre Erfahrungen als Trainer weiter.  
Trainer Wolfram LindnerAls Leistungszentrum entwickelten sich der SC Wismut (Straße) und der SC Motor (Bahn), bevor beide 1963 zur Radsportsektion des SCK fusionierten. Das DDR-Nachwuchsförderungssystem brachte eine Reihe Spitzensportlern teilweise im Straßen-, vor allem aber im Bahnbereich hervor (z. B. Herbert Richter, Matthias Weigand, Mario Hennig, Michael Hübner): die Trainer wie z. B. Wolfram Lindner oder Werner Marschner zählen bis heute zur Weltspitze.  

Im Fahrradbau wurden die Traditionen nach 1945 durch den VEB Diamant fortgeführt. Bis Ende der 60er Jahre fuhren die DDR-Spitzenstraßenradsportler (Schur/Eckstein usw.) Diamant-Rennräder. Doch danach konnte die Firma im Rennradbau international nicht mehr mithalten; Straßenrennräder für Spitzensportler wurden seither vor allem von italienischen Firmen bezogen. Eine Abteilung des Textimakombinates in der Nordstraße, gleichzeitig Außenstelle des FKS Leipzig, nahmen jedoch Rahmenanpassungen vor und entwickelten Einzelteile, u. a. um 1980 die "Flachspeiche". Entwickelt wurden dort auch spezielle Rahmen für den Bahnradsport, die auf die Körpermaße der Sportler zugeschnitten waren. Etwa 1987/88 verlor die Nordstraße erheblich an Bedeutung; eine Berliner Forschungsruppe hatte die neuen Karbonrahmen entwickelt.  

Immer weniger Interesse fand seit den 70er Jahren der Steherradsport. Zum einen lag dies an der Entscheidung der DDR-Sportfunktionäre, diese Disziplin nicht mehr leistungsmäßig zu fördern, weil sie "nicht-olympisch" war. Zum anderen spielten auch internationale Hintergründe, wie die Beschränkung des Hubraumes von Schrittmachermaschinen durch den internationalen Radsportverband und das allgemein nachlassende Publikumsinteresse an Steherrennen eine Rolle.  

Nach der Wende gab es vielfältige, aber begrenzt erfolgreiche Versuch, an alten Traditionen anzuknüpfen, u. a. die Wiederbelebung RC Diamant oder die Organisation von international besetzten Veranstaltungen z. B. Chemnitzer Steher-Cup. Heute führt vor allem die Radsportsektion des CPSV den leistungsorientierten Radsport fort.  
Olympiasieger Jens FiedlerIn der DDR "großgewordene" Radsportler wie Hübner oder Fiedler wurden zu erfolgreichen Profis. Der in Chemnitz lebende Trainer K. Schmalfuß begründete 1997 das XXL Profi-Team (Bahnradsport), in der die besten Bahnradsportler Deutschlands versammelte. Trotz alledem befindet sich der Chemnitzer Radsport heute in einer schwierigen Phase. Wie überall fehlt die materielle Unterstützung. Das, was den Chemnitzer Radsport früher einmal ausmachte, die Verbindung zur Produktion, existiert nicht mehr. Diamant gibt es zwar noch, die Firma investiert aber nicht mehr in den Sport. 

 
 
 weiter zu:    
 Eiskunstlauf
 
 zum Seitenbeginn
 zur vorigen Seite
 zur Homepage